Wednesday 12 January 2011

Eine Sprache ist kein iPad

English translation follows the German text.

Es gibt Wörter im Englischen, die gleich klingen, z. B. wait (warten) und weight (Gewicht). Nur völlig bescheuerte Menschen behaupten, einen Hauch von einem "H" im zweiten zu hören oder selber auszusprechen. Sie sind Homophone (das ist kein Tippfehler, auch wenn N neben B auf meiner Tastatur liegt) - das heißt, sie klingen identisch.
Jedoch würde fast jeder zugeben, das sind zwei Wörter - sie haben unterscheidliche Bedeutungen und sie werden sogar unterschiedlich geschrieben. Man sieht das, wenn man sie mit ihren Vettern in anderen Sprachen vergleicht, z. B. Deutsch: warten, Gewicht. Hier sieht man, dass in der anderen Sprache sie noch (noch im Sinne von: sie waren einst auch im Englischen, sind es aber nicht mehr) durch den Klang voneinander zu unterscheiden. Sogar wenn man die Wortstämme nimmt, hat man im Deutschen wart und wicht, die weder gleich geschrieben noch gleich ausgesprochen werden. Das "ch" im deutschen "(Ge)wicht" wird in der englischen Rechtschreibung von "weight" als "gh" noch erhalten und weist auf eine frühere konsonantale Aussprache im Englischen. Ich nenne diese Art der Rechtschreibung im Englischen eine "historische" Rechtschreibung, denn sie leugnet die Historie der Wörter nicht, sondern stellt sie noch dar. Das Beispiel der amerikanischen Rechtschreibung von "thru" (durch) im Vergleich zur englischen Rechtschreibung "through" zeigt die andere Methode. Man zieht eine treue Darstellung der Aussprache der Historität vor. Die englische Form "through" mit ihrem "gh" wird durch das "ch" im Deutsche "durch" widergespiegelt.
Ich sehe ein, dass es gewisse Vorteile gibt, wenn man eine Rechtschreibung anstrebt, die der Aussprache ähnelt - doch ich möchte hier auf einen Nachteil hinweisen, der vielleicht nicht so selbstverständlich ist.
Die moderne kroatische Rechtschreibung behauptet (und für die Zwecke unserer Diskussion brauchen wir die Behauptung nicht anzufechten), für jeden einzelnen Laut immer einen und denselben Buchstaben zu nutzen. In unseren obigen Beispielen würde das heißen, dass wait und weight gleich geschrieben werden müssten und zwar nach aller Wahrscheinlichkeit mit nur einem Vokalbuchstaben - etwas wie *wät (das * zeigt, dass das hier ein hypothetisches, nicht reales Beispiel ist). Bei through/thru wäre die zweite Variante bevorzugt, allerdings würde eher etwa wie *θru aussehen. Sobald man zwei Buchstaben für einen Laut verwendet, hat man von diesem Prinzip abgewichen, denn man weiß nicht mehr, ob die zwei Buchstaben zwei aufeinanderfolgende Laute (t+h) oder einen neuen (th) hat. (Es ist möglich, dass im Kroatischen Buchstabenkombinationen doch verwendet werden, um von manchen als einzelne Lauten wahrgenommene Lauten darzustellen. Das wäre halt ein Beipsiel für die Nicht-ganz-Universalität der obigen Behauptung.) Auf den ersten Blick stellt diese Rechtschreibungsmethode kein allzu großes Problem dar - nur manchmal, bei Wörtern, die aus den klassischen (oder anderen) Sprachen übernommen werden, muss man wissen, genau wie sie auf Hochkroatisch auszusprechen sind, bevor man sie schriftlich verwenden kann. Man muss schon vorab wissen, ob im Wort "Philosophie" das "s" stimmhaft oder stimmlos ausgesprochen wird, wenn man "filozofija" richtig schreiben möchte. Das ist aber kein sehr großes Problem.
Das eigentliche "Problem", das ich aber beschreiben möchte, lässt sich am Beispiel "wodka" erklären. Das Wort für "wodka" stammt im Slawischen vom Wort für "Wasser" und bedeutet so etwas wie "Wässerchen". (das ist allgemein bekannt). Im Russischen (z. B. - hier wird nicht behauptet, Wodka sei ein ursprunglich russisches Wort) heißt Wasser вода (woda) und Wodka водка (wodka). Hier sieht man sehr einfach die Verbindung zwischen den Wörtern, auch wenn водка (wodka) aufgrund des phonologischen Umfeldes als воТка (woTka) ausgesprochen wird. Im Deutschen findet ein ähnliches Phänomen statt (vgl. Bund/bunt - alleinstehend werden sie gleich ausgesprochen, aber Bundesverfassungsgericht und buntes Verfassungsgericht werden unterschiedlich ausgesprochen).
Im Kroatischen heißt Wasser "vode" und Wodka "votka" - treu nach den Prinzipien. Es ist, wie gesagt, eine vertretbare Position, die Aussprache treu in der Rechtschreibung darzustellen, aber es ist nicht unbedingt weniger kompliziert. Im Deutschen würde es als verrückte Komplikation wahrgenommen werden, wenn eine Rechtschreibreform versuchen würde, statt "ein Kind, zwei Kinder" das aussprachennähere "ein Kint, zwei Kinder" zu schreiben. Ein weiteres Problem mit der aussprachentreuen Rechtschreibung ist, dass sie keinen Spielraum für Entwicklungen einräumt - wenn die Aussprache des Volkes sich ändert, muss die Rechtschreibung jedesmal geändert werden, (ganz zu schweigen davon, dass bestimmte Dialektgruppen benachteiligt werden, wenn es eine Gruppe gibt, deren Aussprache perfekt in der Rechtschreibung wiedergegeben wird - kein englischer Muttersprachler spricht weight aus so, wie es geschrieben ist, also wird keine Gruppe begünstigt/benachteiligt) was heißt, sie wird dauernd hinterherhinken - was nur als ein dauerndes Hinterherhinken wahrgenommen wird, wenn die Rechtschreibung überhaupt den Anspruch hat, die Aussprache treu darzustellen.
Man hat also die Wahl. Meiner Meinung nach ist weder eine historische noch eine moderne Rechtschreibung "einfacher" oder "simpler" - sie dienen einfach zwei verschiedenen Zwecken. Sie wollen beide die Sprache darstellen. Die moderne versteht aber unter "Sprache" offensichtlich nichts mehr als "das, was aus den Mündern der Sprecher kommt" und würde dann zwei verschiedene Wörter gleich schreiben, auch wenn sie nach ihrer Herkunft und Bedeutung eindeutig verschieden wären - die historische hingegen berücksichtigt, dass eine Sprache auch eine Geschichte, eine (wenigstens teilweise) auf Logik basierende Grammatik und, dass die Sprache ein sich stets entwickelndes Wesen ist. Diese Einstellung gefällt mir besser - denn unsere Sprachen sind nicht einfach so da, wie ein iPad, sie sind lebendige, wachsende Dinge, wie Äpfel.
Bis morgen.



There are words in English, which sound the same, e.g. wait and weight. Only completely ridiculous people claim to to hear or themselves to pronounce a faint "H" in the latter. They are homophones (that's not a typo, even if N is next to B on my keyboard) - that means that they sound identical.
However, almost everyone would admit that they are two words - they have different meaning and they are even written differently. We see this when we compare them with their cousins in other languages, e.g. German: warten (wait), Gewicht (weight). Here we see that in the other language they can still (still in the sense of: they were once so in English but are no longer) be differentiated between according to their sound. Even if we take the word stems, we have in German wart und wicht, which are neither written nor pronounced the same. The "ch" in the German "Ge"wicht" is retained in the English spelling of "weight" as "ght" and points to an earlier consonantal pronunciation in English. I call this kind of spelling in English a "historical" spelling, because it doesn't deny the history of the words, but represents it to this day. The example of the American spelling of "thru" in comparison with the English spelling "through" shows the other method. An accurate representation of the pronunciation is preferred to the historicy. The English form "through" with its "gh" is reflected in the "ch" of the German word "durch".
I do see that there are some advantages to having a spelling which strives to be similar to the pronunciation - but I would like to point out a disadvantage which is maybe not as apparent.
The modern Croatian spelling claims (and for the purposes of our discussion we don't need to contest this claim) to use one and the same letter for each individual sound. In the aforementioned examples that would mean, that wait and weight would have to be written the same and, indeed, in all probability with just one vowel letter - something like *wät (the * shows that this here is a hypothetical, non-real example). With through/thru the second variant would be preferred, albeit looking more like *θru. As soon as you use two letters for one sound you have deviated from this principle, because you no longer know whether you have two sounds following one another (t+h) or one new sound (th). (It is possible, that Croation does in fact use letter-combinations for what some would recognise as individual sounds - this though would be an example of the claim above not being completely universal.) At first, this method of spelling doesn't pose too big a problem - just sometimes with words which are borrowed from classical (or other) languages, you have to know exactly how they're pronounced in official Croation before you can write them down. You have to know in advance whether in the word "philosophy" the "s" is pronounced voiced or unvoiced, before you can write "filozofija" correctly. This isn't, however, all that big a problem.
The real "problem" that I would like to describe, can be explained using the example of the word "vodka". The word for "vodka" comes in Slavonic from the word for "water" and means something like "little water". (this is well-known). In Russian (for example - I'm not claiming that vodka is an original Russian word) is water вода (voda) and vodka is водка (vodka). Here you can see the connection between the words, even though водка (vodka) is pronounced воТка (voTka) because of the phonoligcal environment. In German there is a similar phenomenon (cf. Bund/bunt (federation/brightly coloured) - on their own they are pronounced the same but Bundesverfassungsgericht (federal constitutional court) and buntes Verfassungsgericht (brightly coloured constitutional court) are pronounced differently.
In Croatian water is "vode" and vodka is "votka" - true to the principles. This is, as I have said, a defendable position, representing the pronunciation in the spelling, but it is not necessarily less complicated. In German it would be seen as a mad complication, if a spelling reform were to try to write "ein Kint, zwei Kinder" instead of "ein Kind, zwei Kinder" (one child, two children). A further problem with the pronunciation-friendly spelling is that it doesn't allow any scope for development - if the pronunciation of the people changes, the spelling has to be changed every time (not even taking into account the fact that particular dialectal groups are disadvantaged if there is one group whose pronunciation is perfectly mirrored by the spelling - no English speaker pronounces weight like it's written so no-one is ad- or disadvantaged), which means that the spelling will be forever limping behind - which will only be seen as a permanent limping behind if the spelling has the aim of representing the pronunciation accurately.
So you've got the choice. In my opinion, neither the historical nor the modern spelling is "easier" or "simpler" - they just serve different purposes. They both want to represent the language. But the modern spelling clearly understands as "language" nothing more than "that which comes out of the mouths of speakers" and would write two words the same even if they were clearly different based on their history and origin - the historical spelling, on the other hand, recognises that a language also has a history, a grammar which is (at least partly) based on logic and that the language is a continually developing being. I prefer this attitude - because our languages are not just simply there, like an iPad, they are living, growing things, like apples.
See you tomorrow.

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